Montag, 31. August 2009

re:volution


"Revolutionär" nennt sich nun freilich auch die Sozialdemokratie, die Partei, der die Massensugestion, der Wahlakt sei eine heilige Handlung, in erster Linie zu danken ist, und der es [...] niemals beizubringen sein wird, daß die Beteiligung an der Wahl ein Bekenntnis zur bestehenden Staatsordnung in sich schließt und eine im Kern antirevolutionäre Demonstration darstellt.

Erich Mühsam / Die Fackel, IX. Jahr, Nr. 223-224, Wien 12. April 1907 / re:print in konkret 9/2009

Gemunkel


die katastrophe wäre da
wenn über uns käme die nachricht
daß sie ausbleiben wird
für immer

verloren wären wir:
wir stünden am anfang

Hans Magnus Enzensberger / doomsday

Sonntag, 30. August 2009

Überblicksübel

"Nur damit sie eine Vorstellung vom Ganzen bekommen", erklärte er in solchen Fällen. Irgendeine Vorstellung mußten sie schließlich haben, wenn sie ihre Arbeit mit Verstand verrichten sollten, andererseits aber auch keine zu genaue Vorstellung, wenn sie brauchbare und zufriedene Mitglieder der Gesellschaft werden sollten. Die kleinen Einzelheiten sind es bekanntlich, die flüchtig und glücklich machen. Gesamtüberblicke sind für den Geist nur von Übel. Nicht Philosophen, sondern Hobbybastler und Briefmarkensammler bilden das Rückgrat der Menschheit.

Aldous Huxley / Schöne neue Welt

Freitag, 28. August 2009

re: von der Leyen


Die Bezeichnung Rechtsstaat wird fragwürdig, wenn man die gesamte Öffentlichkeit mit ihren zumindest unkontrollierbaren Instinkten in die Exekutive einbezieht; wenn man die Qualität des Rechts der Qualität von Erfolg und Popularität opfert.

Heinrich Böll / Ende der Bescheidenheit

Donnerstag, 27. August 2009

Methodenübertragung

Das will nicht sagen, dass Masse und Macht das Instrumentarium bereitstellen könnte, um Phänomene der globalen Medienzivilisation adäquat zu beschreiben. Sehr wohl aber lässt sich die Methode, die Canetti selbst anwandte, auf die Benutzung von Medien übertragen.

Paul Liessmann / Die virtuelle Klagemeute / 10. Symposion

Am Ende der Vernunft


Der Kapitalismus kann liberal sein, solange er mit Vernunftgründen zu rechtfertigen ist, und muß faschistisch werden, wenn das nicht mehr der Fall ist. Solange es gute Gründe für ihn gibt, braucht er nicht mit Prügeln zu regieren; wenn es keine Argumente mehr gibt, müssen Prügel her.

Sebastian Haffner / Zwischen den Kriegen