Donnerstag, 1. Oktober 2009

re:twitter - Tastengewitter


Wir haben in unserer Wohnung einen internen, analogen Twitter eingerichtet. Er funktioniert mit Tasten und Papier, Farbband und Druck und nennt sich Schreibmaschine. Alle unsere Gäste hinterlassen anachronistische Tweets und Retweets schwarz auf weiß. Unsere favorites sammeln wir dann an unserer häuslichen Twitterwall, der Badezimmerwand. Damit diese unsere Tweets nicht mehr ganz so exklusiv bleiben wie bisher, möchte ich nun einige der schönsten Ergüsse für die Welt aufbereiten. Unsere Tastentweets werden unter dem #tweet1.0 gesammelt.













Montag, 21. September 2009

Grafische Darstellung trunkenen Unsinns


Eine neue Spielerei von mir: Die grafische Darstellung trunkenen Unsinns. Erklärung: Häufig sitzt man mit kreativen Menschen abends zusammen und dabei entstehen, oft beeinflusst durch den Genuss alkoholischer Getränke, allerlei wirre Ideen. Die schönsten banne ich dann zeitnah in einer Grafik. FDP ist auch bei einem solchen Abend entstanden. Das NurTextPornoMagazin GUILTY ist auf einen Versprecher zurückzuführen (oftmals spielt man ja auch Flüsterpost ohne zu flüstern) im Room77 in Berlin mit Dominik, Elke und Nora.


Friedhof Museum

Die Domestizierung der Kunst in unseren Museen. In Reih und Glied finden wir sie an den kahlen Wänden versammelt. Stramm stehen die Wärter in den Ecken der einzelnen Zellen. Dort ist Max Ernst eingesperrt, da wird Dali gefangen gehalten, da hinten Frida Kahlo. Einige teilen sich ihre Zellen mit ihren Zeitgenossen, andere befinden sich in Einzelhaft. Alle sind gefesselt und geknebelt. Die Aufseher schützen die Kunst vor den Besuchern und achten auf ihren eigentlichen Wert: Millionen. Durch dicke Glasscheiben sieht man den Gefängnishof mit den Skulpturen, der Zutritt ist selbstverständlich untersagt. Große Mobiles hängen von der Decke. Was einst zum freien Spiel bestimmt war, ist nun fixiert, nie wieder werden sie sich um sich selbst drehen. In unseren Museen, sterile Kunst- und Kulturfriedhöfe, fühlt sich nicht mal der Staub so richtig wohl. Es ist ihm hier zu trocken. Wenn es wirklich so ist, dass ein Teil des Schaffenden in sein Werk mit eingeht und dort für alle Zeiten weiter lebt, so sind die Museen auch riesige Mahnmale: Achte darauf, dass du nicht berühmt wirst, sagen sie uns, denn sonst wirst du aus dem Leben gerissen, im Überleben zu Tode interpretiert, bekommst eine jämmerliche Grabaufschrift und einen Sammler, der zu dir in Dialog tritt. Im Zwiegespräch lobt er dich: Heute bist du einen Tausender wertvoller geworden oder aber dein Wert ist nicht gestiegen, du warst eine schlechte Investition. Viele Werke wurden über die Jahrhunderte vor der Zerstörung bewahrt; hätte man sie doch verfallen lassen, ihr Gewicht wiegt nun umso schwerer auf unseren Börsen. Und wenn die Lichter erlöschen, hört man sie im Stillen klagen.

MZZ / Das verlorene Buch

Montag, 31. August 2009

re:volution


"Revolutionär" nennt sich nun freilich auch die Sozialdemokratie, die Partei, der die Massensugestion, der Wahlakt sei eine heilige Handlung, in erster Linie zu danken ist, und der es [...] niemals beizubringen sein wird, daß die Beteiligung an der Wahl ein Bekenntnis zur bestehenden Staatsordnung in sich schließt und eine im Kern antirevolutionäre Demonstration darstellt.

Erich Mühsam / Die Fackel, IX. Jahr, Nr. 223-224, Wien 12. April 1907 / re:print in konkret 9/2009

Gemunkel


die katastrophe wäre da
wenn über uns käme die nachricht
daß sie ausbleiben wird
für immer

verloren wären wir:
wir stünden am anfang

Hans Magnus Enzensberger / doomsday

Sonntag, 30. August 2009

Überblicksübel

"Nur damit sie eine Vorstellung vom Ganzen bekommen", erklärte er in solchen Fällen. Irgendeine Vorstellung mußten sie schließlich haben, wenn sie ihre Arbeit mit Verstand verrichten sollten, andererseits aber auch keine zu genaue Vorstellung, wenn sie brauchbare und zufriedene Mitglieder der Gesellschaft werden sollten. Die kleinen Einzelheiten sind es bekanntlich, die flüchtig und glücklich machen. Gesamtüberblicke sind für den Geist nur von Übel. Nicht Philosophen, sondern Hobbybastler und Briefmarkensammler bilden das Rückgrat der Menschheit.

Aldous Huxley / Schöne neue Welt

Freitag, 28. August 2009

re: von der Leyen


Die Bezeichnung Rechtsstaat wird fragwürdig, wenn man die gesamte Öffentlichkeit mit ihren zumindest unkontrollierbaren Instinkten in die Exekutive einbezieht; wenn man die Qualität des Rechts der Qualität von Erfolg und Popularität opfert.

Heinrich Böll / Ende der Bescheidenheit

Donnerstag, 27. August 2009

Methodenübertragung

Das will nicht sagen, dass Masse und Macht das Instrumentarium bereitstellen könnte, um Phänomene der globalen Medienzivilisation adäquat zu beschreiben. Sehr wohl aber lässt sich die Methode, die Canetti selbst anwandte, auf die Benutzung von Medien übertragen.

Paul Liessmann / Die virtuelle Klagemeute / 10. Symposion

Am Ende der Vernunft


Der Kapitalismus kann liberal sein, solange er mit Vernunftgründen zu rechtfertigen ist, und muß faschistisch werden, wenn das nicht mehr der Fall ist. Solange es gute Gründe für ihn gibt, braucht er nicht mit Prügeln zu regieren; wenn es keine Argumente mehr gibt, müssen Prügel her.

Sebastian Haffner / Zwischen den Kriegen